Mineralien- und Fossiliensammlung Granzer


Fossile Rhizome und Pflanzenreste aus Rátka, Tokajer-Gebirge/Ungarn

  Von Gerhard Granzer, Allhartsberg  (10. Juli 2020) veröffentlicht in leitfossil.de

Vor allem Mineraliensammlern sind viele interessante Fundstellen im Norden und Nordosten Ungarns bekannt, wie die Region um das Donauknie, das Mátra Gebirge oder das Tokajer Gebirge. Aber auch Fossilien sind in Ungarn zu finden, vor allem in den Jura- und Kreideschichten des Bakony- und Gerecse-Gebirges. Der Nordosten, vor allem das Tokajer Gebirge, hat zahlreiche Fundstellen für versteinerte Hölzer aufzuweisen. Als Beispiele seien hier die Orte Telkibànya, Fony, Arka, Boldogkövàralja, Megyaszó und Rátka genannt.

Das Tokajer-Gebirge (Zemplèni-hegysèg), das seinen Ursprung in vulkanischen Aktivitäten während des Miozäns hat, liegt zwischen den Flüssen Hernad und Bodrog und ist vor allem durch eine von ausgedehnten, naturnahen Wäldern mit interessanter Fauna und Flora geprägte Hügellandschaft gekennzeichnet. Nur im Süden weisen die flachen Ausläufer dieser Hügel intensive landwirtschaftliche Nutzung auf, vor allem der Weinbau hat hier große Bedeutung. Begünstigt von guten Böden und einem bis in den späten Herbst hinein mildem Klima wachsen hier die berühmten bernsteinfarbigen Tokajer Weine, unter Weinkennern international bekannt und geschätzt. Neben den landschaftlichen Reizen und guten Wandermöglichkeiten bietet diese Region auch Sehenswürdigkeiten und Ausflugsziele, vor allem alte Burgen und Ruinen.

In den letzten Jahren konnte ich die vielen den Sammlern bekannte Fundstelle bei Rátka (Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén), ca. 12 Kilometer nordöstlich der Stadt Szerencs an den südlichen Ausläufern des Tokajer Gebirges gelegen, mehrmals besuchen. Der schon seit Jahren aufgelassene Steinbruch liegt am Westabhang des Herzeg-Köves-Hegy und kann von der Straße, die von Tállya nach Mád führt, erreicht werden. Auf einer Anhöhe zweigt links ein sehr schlecht befahrbarer Weg ab, der vorbei an „wilden“ Mülldeponien zum Steinbruch führt (Abbildung 1). Hier wurde vor allem sogenannter Limnoquarzit abgebaut, Ablagerungen des Obermiozän (Sarmat), entstanden vor etwa 11 Millionen Jahren. Siehe hierzu Abbildung 21.

Durch ausgedehnte vulkanische Ereignisse kam es zu intensiven Bodenbewegungen, die bewirkten, dass an der Oberfläche stehende Bäume umgebrochen und von Sedimenten bedeckt wurden. Siliziumreiche Lösungen ermöglichten die Verkieselung des Holzes, wobei der Kieselsäure-Ersatz außerordentlich Struktur-getreu erfolge, bis hinab auf Zellebene.

Die Fundmöglichkeiten sind in diesem Steinbruch als sehr gut zu bezeichnen, da vor allem der Bereich nahe des Einganges zum ehemaligen Abbau fast nur aus verkieseltem Holz besteht. Man trifft dort Blöcke bis Kubikmeter-Größe an, die reichlich dicht verkieselte Hölzer in natürlichen Farben enthalten. Zellstrukturen sind deutlich erkennbar, auch Chalcedon- und Achat-Strukturen kommen vor. Schöne Ast- und Stammstücke sind allerdings schon selten geworden. Ab und zu wird aber noch Material in geringer Menge abgebaut, was die Fundmöglichkeiten für Belegstücke besserer Qualität zeitweise wieder etwas erhöht (Abbildungen 2 bis 4).

Abbildung 1 (oben):  Der Steinbruch Herzeg-Köves. Foto Mai 2018.

Abbildungen 2 und 3 (oben): Das Bild oben zeigt fossiles Holz in Limnoquarzit; Bildbreite ca. 75 Zentimeter. Foto März 2012. - Auf dem unteren Bild weitere sehr große fossile Hölzer. Foto Mai 2018.

Abbildung 4 (oben):  Polierte Astscheibe; Durchcmesser 7 Zentimeter.

Schon vor Jahren wurden mir Berichte über Funde von fossilem Schilf und Pflanzenresten von der Rátka-Lagerstätte bekannt. Trotz mehrmaliger Absuche der Umgebung des Steinbruches Herzeg-Köves konnten wir diese Fundstelle nicht lokalisieren. 2018 lernten wir in Szerencs einen einheimischen Sammler kennen, in dessen Lokalsammlung wir interessante Fundstücke von Schilf- und Pflanzenresten bewundern konnten. Freundlicherweise erklärte sich der Sammler bereit, uns die Fundstelle zu zeigen. Diese liegt nur wenige hundert Meter vom Steinbruch Herzeg-Köves entfernt. Durch üppige Vegetation, hohe Sträucher und dichtes Gebüsch ist die Stelle aber nur schwer zu finden. Sie befindet sich am Rande eines weiteren alten Abbaus, dessen tiefster Punkt von einem Teich (Biotop) gefüllt ist.

Am oberen Rand der umgebenden Böschung trafen wir die Spuren umfangreicher ehemaliger Grabungsaktivitäten an. Auf der ebenen Fläche gleich daneben fand sich eine frische Grabungsstelle im Ausmaß von ca. 3 x 4 Metern (Abbildung 5). Schon im daneben liegendem Aushubmaterial entdeckten wir ersten Belegstücke von Pflanzenrest en und Bruchstücke von Stängeln (Abbildung 6) . In etwa eineinhalb Meter Tiefe stießen wir auf die fossilführende Schicht, die nur etwa 20 bis 30 Zentimeter mächtig ist. Nachdem sie großflächig freigelegt war, gelangen uns reichlich Funde: Rhizome (unterirdische Wurzelorgane) in verschiedenen Größen mit angewachsenen Halmresten, Grashalme, Pflanzenreste, Fragmente von Schilfrohr, vereinzelt sogar Knospen, selten auch fossiles Holz, dieses allerdings in ganz anderer Erhaltung als im nahe gelegenen Limnoquarzit-Steinbruch (Abbildungen 6 und 8 bis 19).

Abbildung 5 (oben):  Der neue Schilf-Fossilien liefernde Aufschluss bei Rátka. Foto Mai 2019.

Abbildung 6 (oben):  Handstück mit diversen fossilen Pflanzenresten aus der neuen Grabung bei Rátka. Mai 2018.

Der größte Teil unserer Fundstücke dürfte der Art Rhizocaulon huberi GREGOR, 2008, zuzuordnen sein. Diese Art wurde von Hans-Joachim Gregor erstbeschrieben und nach dem Finder, dem Wiener Sammler und Holzspezialisten Peter C. Huber benannt.

Die interessanten Funde dieser Lokalität dürften auf eine Riedfazies um einen miozänen See zurückzuführen sein. Durch vulkanische Ereignisse wurden der See und seine Umgebung durch neuerliche Ablagerungen überdeckt und siliziumreiche, wässrige Lösungen bewirkten eine Verkieselung der Pflanzenreste. Vor allem das Innere größerer Rhizome, aber auch manche dünnere Stängel und Pflanzen reste wurde in sehr harten Chalcedon umgewandelt, sodass sich dieses Material gut zum Schneiden und Schleifen eignet. Einige größere Rhizome und knapp oberirdische Stängel zeigen im Querschnitt sehr interessante Strukturen (Abbildungen 15 bis 19).

Abbildung 7 (oben):  Abbildung 1 aus Gregor 2008 zu Terminologie und Anatomie der Rhizome und Stängel: "Quer- und Längsschnitte durch die Rhizome und Stengel der Rhizocaulon huberi nov. spec. – Legende: A: unterirdisches Rhizom; B: Seitenknospe; C: Knospenaustrieb; D: Leitbündelaustritt; E: länglicher Rhizomstrang; F: Querschnitt mit Leitbündeln und Geleitzellen im äußeren Bereich – innen hohl; G: Rippengürtel; H: Halmansatz unterirdisch mit Querschnitt; I: Halmteil oberirdisch mit Querschnitt; J: obere Halmteile mit Querschnitt; K: äußerer Teil des Rhizomkörpers, sklerenchymatisch; L: innerer Teil des Rhizomkörpers mit Leitbündeln; M: Leitbündelaustritt für Seitenknospen."

Abbildung 8 (oben):  Rhizom mit Seitenknospen und Pflanzenteilen. Mai 2019.

Abbildung 9 (oben):  Diverse Fundstücke, auf Plexiglas-Sockel montiert. Höchstes Exemplar 10 Zentimeter, Mai 2018.

Abbildungen 10 und 11 (oben):  Links fossile Halme. 14,5 x 4,5 Zentimeter. Mai 2019. Das rechte Bild zeigt ein Rhizom; ca. 5 x 3 Zentimeter. Mai 2018.

Abbildungen 12 und 13 (oben):  Links ein Rhizom mit den Löchern von Seitenknospen; etwa 3,5 x 1,2 Zentimeter. Mai 2018. Rechts ein Halmansatz mit Blattscheide; 3 x 1 Zentimeter. Mai 2018.

Abbildung 14 (oben):  Massiv erkieseltes Holz; 13 x 6,5 Zentimeter. Mai 2018.

Abbildungen 15 und 16 (oben):  Rhizom; polierter Querschliff; etwa 9 x 7 Zentimeter. Mai 2018. Unten eine Ausschnitts-Vergrößerung aus dem vorigen Bild. Man sieht die höchst detailreiche Mineralisation.

Abbildung 17 (oben):  Rhizom; polierter Querschliff, 9 x 7 cm, Rátka, Mai 2018.

Abbildung 18 und 19 (oben):  Polierter Querschnitt durch die auf das Rhizom folgenden oberirdischen Halmteile. 8 x 5 Zentimeter. Mai 2018. Unten eine Ausschnitts-Vergrößerung aus dem rechten Halm.

Abbildungen 20 und 21 (oben): Übersichtskarte mit der Lage von Rátka relativ zu Budapest. Eingeblendet eine Karte mit Rátka und der Lage der Steinbrüche östlich von Rátka.

Danken möchte ich dem Sammlerkollegen aus Szerencs, der uns zur Fundstelle geführt hat, sowie A. E. Richter für die wertvolle Hilfe bei der Beschaffung einschlägiger Literatur.

Literatur-Hinweise:

GREGOR , H.-J. (2008): Rhizocaulon huberi nov. spec., Rhizome von Poaceen/Cyperaceen aus dem Obermiozän von
     Ratká (Ungarn, Sarmatium). - documenta naturae no. 167, S. 21-48, 1 Abb., 10 Taf. - München.
HUBER , P. C. (2002): Fossilien aus der Tokajer Region, Zeitschrift Fossilien, Heft 2, März/April 2002.
HUBER , P. & P. PAVLICEK (2008): Ratká, eine obermiozäne (Sarmatium) Fundstelle für Hölzer und Rhizome in Ungarn. -
     documenta naturae no. 167, S. 1-19, 8 Abb., 1 Tab., 20 Fig. - München .

Siehe auch: www.granzer.at/Mf - Neufunde 2018, 2019: Rátka.

Sammlung und Fotos Gerhard Granzer.

 

 

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Gerhard Granzer
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